Was sind die Suzanis

 

Suzanis sind die stummen Zeugen des aufwendigen Handwerks der Frauen in Zentralasien. Seit Jahrhunderte erzählen sie über die Arbeit, die viel Geduld und Hingabe fordert. Weisheit, Träume und Spiritualität der Frauen und ihrer Community wurden durch diese besonderen Wandteppiche kommuniziert. Wir möchten unseren Blogbeitrag heute zu dieser Kunst widmen.

Geschichte von Suzani

Das Wort Suzani kommt aus dem persischem Wort Suzan und bedeutet Nadel. Suzani ist mit Seiden oder Baumwollgarn bestickte, handgewebte Baumwollstoff – Karbos. Eine Meisterzeichnerin im Volk wird sie als Kalamkash bezeichnet, wird beauftragt traditionelles Muster auf die losen verbundenen Stoffstücken (zwischen drei und sieben) zu zeichnen. Der Beruf von Kalamkash war angesehen in der Gesellschaft, es war jedoch auch ein „gefährlicher“ Beruf. Da Textilwelt in Usbekistan oft das Reich der Frauen war, haben nur Frauen an die Entstehung von Suzanis teilgenommen. Der Beruf von Kalamkasch forderte besondere Malkünste und Kreativität. Doch nicht jede Frau war bereit diese Profession auszuüben, denn die Kalamkasch Frauen immer mit der schwarzen Tinte gemalt hatten. Schwarz stand für Trauersymbol. So glaubte man im Volk, dass Kalamkasch Frauen oft jemanden in der Familie verlieren oder sie und ihre Familie Krankheiten anziehen.

In Usbekistan haben Handwerkerinnen und Handwerker, um ihr Handwerk für Profit auszuüben, immer Erlaubnis ihrer Meister / Meisterinnen benötigt. Diese Tradition lebt heute noch. Bei Strickerei Kunst durfte eine Frau nur ihrer Tochter oder Enkeltochter dieses Handwerk beibringen. In der Vergangenheit wurden über viele Fälle erzählt, in denen Frauen Erlaubnis ihrer verstorbenen Omas oder Mütter im Traum gesehen hatten und nur dann das Handwerk ausübten.

Generell kommerzielles Interesse an Suzani Teppiche beginnt nach der Eroberung Zentralasiens von Russland. Zuvor gab es keinen Bedarf Suzanis zu verkaufen, denn jede Frau musste selbst ihr Wandteppich stricken.

Bedeutung der Wandteppiche

Nun warum hat man denn diese Wandteppiche gebraucht und innerhalb der mehreren Jahre sie bestickt? Suzanis waren in ihrer Linie der Hauptteil des Mitgiftes von einer Braut. Eine Braut ohne Suzani ist wie heute wahrscheinlich eine Braut ohne Identität. Ein seltsamer Vergleich, nichtsdestotrotz konnte man damals eine Braut ohne Suzani nicht vorstellen. Die Strickereikunst wurde immer von Mutter zu Tochter weitergegeben und Mutter zusammen mit der Tochter haben einige Jahre vor der Hochzeit für die Tochter den Wandteppich bestickt.

Ein kleiner Teil der Wandteppiche blieb immer nicht bestickt. Ein unvollendetes Suzani-Muster, das die Abfolge von Generationen symbolisiert, bedeutet den Wunsch der Braut, eine Tochter zu haben. Mit dem Gedanken, dass die Tochter in der Zukunft die Arbeit ihrer Mutter fortsetzen wird.

Die wichtigsten Funktionen der Suzanis waren:

  1. Schutz des frisch geheirateten Paares vor dem bösen Auge. Das spirituelle Volk Zentralasiens glaubte daran, dass die Geister durch verschiedene Welten reisen können. Die bösen Geister könnten Unglück bringen, weshalb man in jeder Suzani ein Symbol gegen das Böse sehen kann. Suzanis sollten auf diese Weise das Paar und ihrer Kinder in der Zukunft beschützen.

  2. Suzanis sollten Wohl und positive Energie bringen. Jeder Suzani wurde mit dem Traum gestickt etwas Gutes und Positives für eigene Familie anzuziehen. Denn man hat geglaubt, die Muster, die bestickt wurden, eine Kraft haben und Erfüllung der Träume bewirken können.

  3. Gottessegen, denn die Bestickung der Suzanis war eine spirituelle Reise für jede Frau, in der sie Demut, Geduld und Dankbarkeit übte. Auch die verschiedenen Symbole auf den Wandteppichen haben oft eine Andeutung an Gott: in Bukhara z.B. waren es Pflanzen und Tiersymbole, die Paradiesgarten symbolisierten. In Taschkent auf den Palaks (Kreisen) wurden zahlreiche Kreise (bis zu 40 Kreise) bestickt, die den Mond oder die Sonne bezeichneten.

  4. Später kommt die Deko Funktion der Suzanis an. Auf diese Weise wurden Suzanis an die Wand gehängt oder als Decke für Sofa, Sessel benutz.

Geographische Besonderheiten

Suzanis haben immer die Besonderheiten ihrer geographischen Herkunft betont. Von jedem Wandteppich konnte man in der Vergangenheit erraten, woher er kommt.

In Usbekistan und auf das Territorium Tadjikistans leben heute noch Usbekisch sprachige Nomaden Lakai. Lakai sind ihre nomadische Lebensart im Laufe der Jahrhunderte treu geblieben. Das zeigt auch ihre Strickerei. So in Lakai existiert eine besondere Strickerei, es geht um die Gebärmutter Muster. Kein anderes Suzanimuster deutet auf dieses weibliche Organ, vor allem wegen der islamischen Vorschriften. Auf dem ersten Blick sieht diese Muster wie eine Zwiebel mit zwei Hörner (Hörner sind auch sehr wichtige Muster der nomadischen Kultur) und mit dem Samen innen aus. Die nomadischen Völker, die viel sich mit den Nutztieren beschäftigten, wussten wie genau Gebärmutter aussehen. Gebärmutter Muster steht für neue Generation und Fruchtbarkeit.

Das berühmte schwarz rote Suzani steht für den Zug. Es ist auch genau die Muster, die am meisten im Westen kopiert wurde. Nun das Wort Zug im Tadjikischen bedeutet „Atasch Araba“ – d.h. brennender Wagen. Die ersten Züge wurden mit der Kohle geheizt und die Farbe Rot steht für diese Kohle und schwarz für den Zug selbst. Diese Muster stammten aus Samarkand. In Samarkand und Urgut (eine Stadt im Provinz Samarkand) gab es sehr viele Suzanis, die nach diesen Ornamenten gestickt wurden.

Durch zahlreiche Pflanzen und Vögel symbolisierte Strickerei aus Bukhara den Paradiesgarten. Bukhara war über die Jahrhunderte das wichtige Zentrum des Islams. In der muslimischen Welt war Bukhara eine der heiligen Städte. Aus diesem Grund blieb Bukhara immer seinen Ruf treu und man kann bis heute auf den Suzanis aus Bukhara den Paradiesgarten erkennen.

Zoroastrismus war eine herrschende Religion in Zentralasien vor dem Islam. Strenge islamische Vorschriften haben immer sogar minimale Praktizierung der anderen Religionen verboten. Interessanterweise leben auf den Suzanis bis heute viele Muster, die zurück zum Zoroastrismus gehen. Geographisch gesehen trifft man Zoroastrische Muster am meisten in Shakhrisabz (Süd-Osten Usbekistans), in Samarkand und Jizzakh. Diese Blumenmuster mit einer Blume in der Mitte und vier weiteren Blumen in vier Richtungen symbolisierte zoroastrische Lampe, die mit einer Kerze in der Mitte und vier weiteren Kerzen in viele Tempel damals zu sehen war. Das ist ein Muster des heiligen Feuers. Ein achteckiger Sternmuster wurde in Samarkand in einem Schloss aus dem 7 Jahrhundert v.Ch. gefunden. Oft in den Suzanis wurde die Muster vom achteckigen Stern im Zentrum des Wandteppichs gestickt. Auch die Blumenkreisen, die Sonne symbolisieren gehen in die vorislamische Zeit zurück, als die Sonne eine Göttlichkeit war.

Wenn Muster eine Geschichte erzählen

Es gab auch viele Muster, die in jeder Region zu sehen waren und eine allgemeine Bedeutung hatten.

Granatäpfel sind ein Symbol der Fruchtbarkeit und des Wohles. Viele Samen der Granatäpfel deuten Hoffnung auf die zukünftige Generation.

Lebensbaum symbolisierte Weisheit und den Wunsch durch den Wurzel des Baumes auf der Erde den Paradies zu erreichen.

Paprika und Chili Muster sollten die bösen Geister erschrecken und vor der bösen Energie beschützen.

Bittere Mandelmuster hatten die gleiche Rolle wie Paprika und Chilimuster. Wenn Mandelmuster groß gestickt wurden, symbolisierten sie Fruchtbarkeit und den Wunsch der Frau gesunde Kinder zu haben.

Blumen waren ein Zeichen des Frühlings. Sie symbolisierten die Natur und Paradiesgarten.

Hörner waren ein Symbol der Potenz und somit auch die Fruchtbarkeit.

Mohnblumenmuster sollten vor der bösen Energie beschützen. Im Volk wurden damals Mohnsamen als Schmerzstillende Mittel benutzt, denn sie einen Betäubungseffekt hatten.

Fehler auf dem Suzani hatten zwei Bedeutungen. Im Volk glaubte man, dass Fehler eine Asymmetrie im Wandteppich verursachen. Diese Asymmetrie zieht böse Energie zu sich und beschützt die Familie. Außerdem machte jede Handwerkerin und jeder Handwerker auf seinem Werk beabsichtigt Fehler. Denn Fehler zu machen sei menschlich und nur der Gott keine Fehler aufweist. Die Künstlerin, die keine Fehler auf ihrem Werk machte, hob Anspruch auf, Gott zu sein.

In diesem Sinne euch alles Liebe und bis bald,

Nadira

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